DIE STIMMEN

http://www.rbwonline.de/beitrag/filmbeitrag2.php?id=67187

       
   
Jörg Stempel   So wie Johann Friedrich Böttger im Arrest von August dem Starken das weltbekannte Meißener Porzellan erfunden hat, mussten Renft und Puhdys, City und Karussell, Karat und Stern Combo Meissen, Silly und Pankow und die vielen anderen ungenannten Bands per kulturpolitisch-ideologischer Weisung aus dem „Großen Grauen Haus“, Rock und Pop in Deutsch zelebrieren, sonst ging gar nichts.
Trotz diesem Zwang ist Deutsch-Rock aus dem Osten vielfach gelungen – bis heute ein Markenzeichen und immer noch erfolgreich !

Jörg Stempel
letzter Amiga-Chef


20 Jahre Super Illu   Persönlichkeiten, die einen durchs Leben begleitet haben und auf die man stolz ist – Idole einfach! In Ostdeutschland haben zu Beginn der 90er Jahre die Menschen wenig Gelegenheit, ihre Künstler und Stars zu feiern. Die Auszeichnungen der Medien sind geprägt durch die Berühmtheiten im Westen. Wer kennt schon eine Schauspieler-Größe wie Rolf Ludwig?
Deshalb gründet SUPERillu einen neuen Medien-Preis: Die Goldene Henne in Erinnerung an die Komödiantin und Sängerin Helga Hahnemann! Die Gala bietet den vergessenen Berühmtheiten aus den Neuen Ländern wieder die Chance, sich ins Rampenlicht zu stellen. Ein Roter Teppich für unsere Künstler und ein Signal dafür, dass Lebensleistungen aus der Zeit der DDR auch danach Anerkennung und Respekt verdienen! Die Goldene Henne, eine Gemeinschaftsproduktion mit dem MDR-Fernsehen und dem RBB, wird ein gigantischer Erfolg und inspiriert auch viele andere Medienpreise wie den Bambi und die Goldene Kamera zu neuen Anstrengungen.
Heute ist die Goldene Henne längst eine gesamtdeutsche Veranstaltung geworden, die von Zuschauern in Ost und West gleichermaßen geliebt wird.
Jochen Wolff, 20 Jahre SUPERillu


Reinhard Artus   Seit nunmehr zwei Jahren unterstützt die DPRG-Landesgruppe Sachsen-Anhalt die Projektidee „Künstler. Bühne. Show. Deutsch-deutsche Begegnungen mit Mauerbühne“. Initiator und Kurator der ab 27. Juni 2015 beginnenden Ausstellung im Schlossmuseum Bernburg ist Torsten Sielmon - seit mehr als zehn Jahren aktives Mitglied in unserer Landesgruppe. Er gehört in der Mitteldeutschen Region und darüber hinaus zu den exzellentesten Kommunikationsmanagern in der Kunst- und Kulturszene.
Nach der politischen Wende 1989 fand in der ostdeutschen Kunst- und Kulturlandschaft mit dem „Wechsel von der Bühnenkunst zur Show“ ein gravierender Wandel statt. Dieser erforderte ein vollkommen anderes Kommunikationsverhalten aller Akteure: Für die Künstler im Osten Deutschlands galt es erstmals, sich als „Marktakteur“ zu verstehen und eigene Kommunikationsstrategien sowie geeignete Formate zur Vermarktung ihrer künstlerischen Leistungen zu entwickeln.
Torsten Sielmon begleitete diesen Prozess mit zahlreichen Events und Publikationen bis Ende der 1990er Jahre. So veranstaltete er über viele Jahre hinweg Künstlermessen, gab ein Künstlerlexikon heraus und entwickelte neue Vermarktungsformate für Musik und Unterhaltungskunst. Darüber hinaus gehörte Torsten Sielmon mit seinem Engagement zu den führenden Akteuren und Brückenbauern bei der Zusammenführung der Künstler im Osten und Westen Deutschlands.
Eine erste Fachveranstaltung mit dem Titel „Showkünstler und ihre Bühnenerlebnisse als Kommunikationsmittel in der Öffentlichkeitsarbeit“ organisierte die DPRG-Landesgruppe Sachsen-Anhalt im November 2014 in Aschersleben. Für den 3. Oktober 2015, um 17:00 Uhr, ist eine zweite Veranstaltung im Schlossmuseum Bernburg geplant. Die DPRG wird auch diese Veranstaltung erneut aktiv unterstützen.
Wir wünschen Torsten Sielmon für sein Projekt die verdiente Aufmerksamkeit und den ihm gebührenden kommunikativen Erfolg sowie recht viele Besucher und interessante Gespräche auf der „Mauerbühne“.
Reinhard Artus
Vorsitzender DPRG-Landesgruppe Sachsen-Anhalt
Halle (Saale), Mai 2015


Uwe Hübner   In diesen Monaten werden auf zdf.kultur die "Hitparaden" wiederholt, die ichelf Jahre lang moderieren durfte. Die Reaktionen darauf sind zahlreich und stets gut gelaunt (weil in Erinnerungen schwelgend). Vor allem meine "Klamotten von damals" werden immer noch bewundert, bestaunt und ab und zu (verständlicherweise, wie ich heute zugeben muss) belächelt. Es waren halt andere Zeiten, smile. Auf eine Sendung habe ich ganz besonders schöne Reaktionen bekommen. Und zwar auf die 270. Folge vom 19.03.1992, in der ich eine sehr bunte und auffällige Lederjacke getragen habe. Fans und Künstler-Kollegen meldeten sich bei mir und wollten wissen, ob ich das grandiose Teil denn noch besitzen würde. Einige würden mich liebend gerne darin noch mal sehen (was vom Umfang her schwer wird), ja andere mir sie sogar abkaufen.
"Die hat ja Museums-Wert", lachte kürzlich MICKY BRÜHL, der Kölner Kult-Karnevalist. Wie recht er doch hat. Denn genau dieses heiss begehrte Stück habe ich "Künstler.Bühne.Show - der Ausstellung mit Mauerbühne" entliehen. Sie selbst also können sie dort persönlich in Augenschein nehmen und begutachten. Und vielleicht genauso drüber schmunzeln… mit was für einer Kleidung vor der Kamera wir doch früher alles auffallen wollten - und damit Erfolg hatten (noch mal smile).
Ich wünsche diesem wunderbaren Projekt, das Torsten Sielmon ins Leben gerufen und mit viel Kraft und Herzblut (ja, sicher auch Geduld) organisiert hat, maximale Aufmerksamkeit und tolle Besucher-Zahlen. Und natürlich auch all den Spaß, den wir damals im Dienste des Show-Lebens hatten. Wir, die wir durch Sie, unsere Zuschauer und Zuhörer, erst das Glück hatten bekannt zu werden und ein Leben im Rampenlicht zu führen, vergessen diese Gunst nicht. Und sind dankbar. Da spreche ich ganz sicher im Namen vieler, wenn nicht aller Kollegen.

Auf dass wir alle zusammen gesund und munter bleiben…
herzliche Grüße,
Ihr und Euer Uwe Hübner



Elmar Schwenke   Das Zusammenwachsen der Popkulturen West- und Ostdeutschlands fiel in eine Zeit des politischen Umbruchs, wie sie krasser nicht hätte sein können. Im Sommer ’89 träumten wir noch von einem Plattenvertrag mit Amiga, doch der Tag, an dem immer geprobt wurde, war ausgerechnet ein Montag. Der Rest ist Geschichte. Geschichte, die aufbewahrt und festgehalten werden sollte, weswegen ich es klasse finde, dass es diese Ausstellung gibt. Doch der Fall der Mauer, so ersehnt und folgerichtig er auch war, sorgte im Osten nicht gleich für blühende Landschaften. Für die allermeisten DDR-Musiker war er gleichbedeutend mit dem Ende der beruflichen Laufbahn. Es war eine Zeit der politischen und kulturellen Inflation, in den Kulturhäusern wurden jetzt Möbel verkauft. Möbel zweiter Wahl aus dem Westen. Heute, 25 Jahre danach, können wir stolz sein auf eine Popmusikkultur, die maßgeblich durch die arteigene und breit gefächerte Stilistik des Ostrock mitgeprägt wurde.

Elmar Schwenke
(Autor und Musiker)


Matthias Reim   „Die „Neuen Bundesländer“ - wie man sie immer nennt – und ich: Das ist irgendwie eine ganz besondere Beziehung. Ich habe oft darüber nachgedacht – ich glaube dafür gibt es zwei Gründe.
Der erste Grund ist ganz einfach: Vor genau 25 Jahren fiel die Mauer – und kurz darauf wurde mein Hit „Verdammt, ich lieb Dich“ zum absoluten Superhit. Das war also einer der ersten westdeutschen Songs, der nun im Osten gehört werden durfte, wenn man mal von den beiden Udos absieht, also Udo Jürgens und Udo Lindenberg. Aber – ein zweiter Grund ist viel wichtiger, glaube ich.
Als ich künstlerisch und finanziell ganz unten war, da hat mich der Osten aufgefangen. Ich musste tingeln gehen, musste überall auftreten, um mir mein Publikum wieder zu erobern und um meine Schulden zu bezahlen.
Die meisten dieser Auftritte waren damals im Osten. In dieser Zeit habe ich auch viele Musiker von „drüben“ - wie man damals sagte – kennengelernt: Karat, die Puhdys, Silly, City, Dirk Michaelis und wie sie alle heißen. Alles tolle Kollegen mit einer interessanten Musik, die mich auch beeinflusst hat. Auf meinen letzten Album habe ich ein paar von deren Liedern gesungen - und auch auf meinem nächsten Album werden wieder „Ost- Legenden“ zu hören sein.
Dass ich so viel im Osten gesungen habe, war eigentlich ein Zufall - aber es war kein Zufall, dass ich da besonders gut „ankam“, wie man so schön sagt. Ich war jemand, der ganz unten war und nicht aufgegeben hat – und dafür hatten die Menschen im Osten offenbar besonders viel Verständnis. Sie erkannten sich in mir irgendwie wieder, glaube ich. Das war und ist so eine Art von Seelenverwandtschaft – wenigstens habe ich es so gefühlt.
Dieses Gefühl - „Ich bin einer von Euch – und Ihr seid so wie ich!“ - das habe ich immer noch, wenn ich dort auftrete – in den neuen Bundesländern, wie man irgendwie immer noch sagt.
Und dafür bin ich dankbar!


Peter Schreiber  

Wie die Zeit vergeht - 25 Jahre Deutsche Einheit !

Was hat das mir gebracht!
Am 29.09.1981 erhielt ich die Zulassung für meine freiberufliche Tätigkeit „auf dem Gebiet der Unterhaltungskunst gemäß Anordnung vom 21. Juni 1971 über die Zulassung von frei- oder nebenberufliche tätigen Künstlern auf dem Gebiet der Unterhaltungskunst (GBl.-SD 708 vom 12. Juli 1971) und zwar für das Fach: Zauberkunst in der DDR. “Mit der „Pappe“ in der Hand, so nannte man diese Zulassung in der DDR – begann eine erfolgreiche Karriere für mich. Die damaligen Konzert- und Gastspieldirektionen buchten meine Shows von Rostock bis zum Fichtelberg und die ersten Auslandsgastspiele ließen nicht lange auf sich warten: Lodz, Gdynia, Sopot, Gdansk (Polen), Prag, Brno (Tschechien), Russland, Ungarn und Gastspiele auf der Arkona und auch der erste Vertrag in das NSW „Nichtsozialistische Währungsgebiet“ zum Kongress der Holländischen Magischen Vereinigung nach Breda. Das Eis war gebrochen, hurra, wir durften „nach den Westen“. Es folgten weitere Gastspiele auch nach Österreich.
Die 80er Jahre waren super gut erfolgreich. Alle Künstler der DDR hatten ausreichend viel Engagements, um die uns die Kollegen aus der damaligen Bundesrepublik beneideten. Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass 1989 die Mauer fällt, den hätte ich sicher als Spinner bezeichnet.
Ich finde es einfach super toll, dass heute alle ohne Einschränkung reisen können, nicht nur die Künstler. Aber auch insbesondere die Künstler können jetzt am Weltkongress der Magier teilnehmen, ohne einen Antrag stellen zu müssen. Allerdings hat sich auch insbesondere für die Unterhaltungskünstler vieles geändert, die „fetten Jahre mit Muggen“ sind vorbei.
Das Veranstaltungspotential hat sich in meiner bereits über 30jährigen Profitätigkeit mehrmals gewandelt. Das Internet kam dazu, wir müssen uns variabel an die neuen Bedingungen anpassen und stets auf den Markt und unsere Kunden reagieren. Ich würde sagen, vielen ist es gelungen und manche sind nicht mehr dabei.
Die hier von Herrn Sielmon ins Leben gerufene Ausstellung zum Thema Unterhaltungskunst „Mauerbühne“ ist ganz toll, einmal aus meiner Sicht als Berufszauberkünstler und auch als Vorsitzender des Vereins Nationaler und Internationaler Unterhaltungskunst Leipzig e.V. Man kann Herrn Sielmon dazu nur beglückwünschen und viele interessante Begegnungen wünschen. Gerne tragen wir als Verein aktiv zum Gelingen bei, indem wir uns mit Plakaten, Fotos und Requisiten aus dieser Zeit vorstellen.

Peter Schreiber-Peray
Perays Magic Show
Vorsitzender des Vereins Nationaler und Internationaler Unterhaltungskunst Leipzig e.V.


Georg Strecker   

Liebe Freude der Theater-, Show- und Varietékunst,

der Mauerfall war Geburtshelfer für den heutigen Wintergarten. 1992 wurde er neu ins Lebengerufen und mit viel Aplomb und Weltstars der heutigen Artistikszene eröffnet. Ganz Berlin hatte nun wieder die Möglichkeit, Varietékunst von höchster Qualität zu genießen und hat seit dieser Zeit die grandiose Entwicklung unseres Hauses erlebt. Mit der Neugründung des Wintergarten Varietés in der Nähe des Potsdamer Platzes wird an die glanzvolle Unterhaltungskultur des berühmten historischen Wintergartens an der Friedrichstraße angeknüpft. In dem 1888 eröffneten Haus traten in den Goldenen Zwanzigern Stars wie Claire Waldoff und Otto Reutter auf, die großen Clowns Grock und Charlie Rivel, Meisterjongleur Rastelli, Entfesselungskünstler Houdini und die damals weltweit renommierteste Flugtrapez-Truppe „Die 3 Codonas“, die im Wintergarten zum 1. Mal öffentlich den sogenannten Salto Mortale zeigten. Ein Jahr vor dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde der Wintergarten ausgebombt. Die Wiederbelebung des Varietétheaters mit der Kombination aus Akrobatik, Tanz und Zauberei ist in den frühen 1990er Jahren etwas Neues in der Berliner Kulturszene. Ebenso die Verbindung von Gastronomie und Showbetrieb. Der Wintergarten gehörte mit zu den Ersten, die das alte Varieté-prinzip des Verzehrtheaters im Nachwende-Berlin wiederentdeckt haben. Die Novität waren Shows, in denen man essen und trinken kann. Wir bieten unseren Gästen zeitgemäßes Entertainment auf internationalem Niveau. Die heutigen Shows sind dabei keine einzelnen Nummernrevuen, sondern durchgängige künstlerische Inszenierungen und definitiv weit mehr als bloß ein paar Purzelbäume oder Handstände auf der Bühne. Um auch architektonisch an das Vorbild des historischen Wintergartens anzuknüpfen, hat das Haus seit einigen Monaten umfangreiche Baumaßnahmen ins Leben gerufen. Der Hof soll ein spektakuläres Glasdach erhalten - und damit das Varieté eine erweiterte Foyer- und Veranstaltungsfläche. Wir freuen uns, in Ihrer Ausstellung präsent sein zu dürfen und wünschen Ihnen und Ihren Besuchern viel Erfolg und Freude.

Im Eingang des Wintergartens begrüßt ein Deckenschriftzug unsere Gäste:
"Dem Staunen gewidmet"

In diesem Sinn grüße ich alle, die sich verzaubern lassen möchten und das Staunen nicht verlernt haben und würde mich freuen, wenn sie beim nächsten Besuch in Berlin dieses Staunen selbst erleben möchten.

Georg Strecker
Geschäftsführer


Christian Hentschel
 

Vorwort von Christian Hentschel zum Ausstellungsvorhaben 2015 Künstler. Bühne. Show. Applaus.

In der Geschichte der populären Musik Deutschlands sind die ersten Jahre nach dem Mauerfall die spannendsten. Gepackt von der Euphorie des Zusammenwachens von Ost und West widerfuhr der Unterhaltungsmusik Made In Germany eine Weiterentwicklung unter neuem Vorzeichen. Künstler aus der ehemaligen BRD wie Lindenberg und BAP konnten endlich zwischen Rostock und Suhl touren, die Ostberliner Band City gründete 1990 die erste unabhängige Plattenfirma der DDR, ausgebürgerte Künstler wie Renft oder Bettina Wegener konnten in ihren Heimatstädten wieder auftreten, andere wie Keimzeit und die Prinzen konnten gesamtdeutsche Karrieren ansteuern. Zeitgleich war diese Phase eine Zeit des Umbruchs, so mancher Künstlerlebensentwurf musste überdacht oder beendet werden. Eine Ausstellung über diese wichtige Phase der deutschen Popkultur hat es so noch nicht gegeben, ich bin sehr gespannt und freue mich darauf.

Christian Hentschel,
Buchautor und Musikjournalist
(Foto Ronny Marzok)


Kathrin Eipert - Sxophonistin  

25 Jahre deutsche Einheit bedeutet für mich ein riesiges Glück,

und die Erinnerung daran, wie ich als Jugendliche meine Eltern bei der Montagsdemo in Leipzig begleitete. Durch dieses Engagement hunderttausender einzelner Personen entstand eine unglaubliche Kraft, der wir alle die heutige Freiheit zu verdanken haben.
Durch dieses sagenhafte Ereignis bekam auch unser Beruf in der Unterhaltungsbranche eine enorme Vielfalt und viele neue Möglichkeiten haben sich erschlossen. Die ersten Schritte als Solistin ging ich bereits auf der „gesamtdeutschen Bühne“ undkonnte tollen Menschen in Ost und West begegnen und dabei unterschiedlichste Lebensmodelle kennenlernen. Trotz aller Tiefen und Höhen, Niederlagen und Erfolge die das Künstlerleben zu bieten hat empfinde ich es immer wieder als großes Lebensglück - und freue mich gemeinsam mit vielen tollen Kollegen auf die Sonderausstellung "Künstler. Bühne. Show."

Saxophonistin Kathrin Eipert


ZAV-Kuenstlervermittlung  

Künstler vermitteln die deutsche Einheit – ganz nebenbei

„Halle hat wohl keine schönen Mädchen? Vom Gegenteil kann man sich morgen in der Leninallee 192 überzeugen“, schrieb der Mitteldeutsche Express am 21. Januar 1992 über den neuen Künstlerdienst (KD) für Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen, der damals noch dem Landesarbeitsamtes Halle unterstand. Die sympathischen Fachvermittlerinnen dort, die seither vielfältige Künstleranfragen entgegennehmen und individuelle Engagements vermitteln, waren nicht direkt damit gemeint. Mittels Model-Castings warben sie nun zum ersten Mal für den „Künstlerdienst im Osten“. Künstler werden oder Künstler buchen stand damit nicht nur allen frei, sondern wurde nun auch in den neuen Bundesländern ein Fachgebiet der staatlichen Arbeitsverwaltung.

Tatsächlich weniger als Behörde, mehr wie eine „Agentur“ arbeite der KD schon immer. Erst später nannte sich die Bundesanstalt für Arbeit entsprechend um. Auf den Punkt gebracht: Der Service ist gebührenfrei, doch erfolgt er anhand persönlicher Vereinbarungen und fast unbürokratisch: Ob Künstler arbeitslos gemeldet sind oder nicht, spielt keine Rolle. Aufgenommen und vermittelt werden nur jene Künstler, die ihre Eignung unter Beweis stellen können. Angenommen dagegen werden alle Aufträge, egal ob von Firmen, Privatagenturen oder Einzelpersonen, die Künstlern faire Honorare bieten und darüber hinaus auch seriös sind.

„Amtlich“ ausgewählte Künstlerinnen und Künstlern aus Mitteldeutschland – übernimmt der KD damit die Nachfolge der KGD, der Konzert und Gastspieldirektion der DDR? Nein. Diese frühere Staatseinrichtung war gemäß Einigungsvertrag zu privatisieren. Auch veranstaltet die „Künstlervermittlung des Arbeitsamtes“ keine Bühnenkunst, sondern vermittelt nur die Künstler dafür. Eine Regulierung erfolgt nicht, der Markt allein entscheidet. Wenn manche unserer beständigen Kunden trotzdem diesen Zusammenhang herstellen, dann wissen wir, dass sie uns damit nur ein Kompliment machen, unsere langjährigen Erfahrungen und zahlreichen Kontakte unterstreichen möchten.

Der KD hat „im Westen“ ebenfalls Tradition. Dort wirkte diese Fachvermittlung für Unterhaltung und Werbung in einigen Großstädten seit 1960. Kurz nach der Einheit also auch in Rostock und Halle, inzwischen verlegt nach Leipzig. Daneben existierte seit 1973 die Zentrale Bühnen-, Fernseh- und Filmvermittlung (ZBF) unter dem Dach der ZAV (heute: Zentrale Auslands- und Fachvermittlung), ebenfalls auf wenige Standorte im Land verteilt und ebenfalls seit 1992 in Leipzig, der Kulturmetropole im „Beitrittsgebiet“. Dieser Zweig der ZAV-Künstlervermittlung erstellte übrigens im Jahr 1991 die erste nationale Vermittlungsdatenbank der Bundesagentur für Arbeit, eine rein elektronische Kartei für Schauspieler, Sänger und Tänzer im deutschsprachigen Raum. Vorteile für Kunden, die heute selbstverständlich sind: lokale Expertise, persönliche Beratung, umfassender Austausch, weiträumige Chancen. Denn Künstler zieht es über bekanntes Terrain hinaus. Auftraggeber und Publikum wollen Abwechslung und immer wieder neue Gesichter und Programme.

So, ganz nebenbei, vermittelten Künstler die deutsche Einheit. Die ersten deutsch-deutschen Teams, die gleich funktionierten, waren die Orchester und Ensembles an den Theatern und wechselseitige Tourneen und Künstlererfolge gab es, bevor mächtige Gremien oder studentische WGs mit Ossis und Wessis gemischt vorkamen. In den letzten Jahren sind noch weitere Mauern gefallen: Die Abgrenzungen und Befindlichkeiten zwischen den einzelnen Bühnensparten oder zwischen E und U – den Künsten der „heiteren“ oder der „ernsten Muse“ – sind weitgehend überwunden. Zur ZAV-Künstlervermittlung heute zusammengefasst, vermitteln beruflich erfahrene Fachleute an allen Standorten in Deutschland spartenübergreifend, und längst nicht nur überregional, sondern zunehmend international.

Ansgar Bovet
ZAV-Künstlervermittlung Leipzig
Teamleiter